Guinea_Armee (Photocredit Wikipedia)

Wie wahrscheinlich ist ein Putsch in Guinea?

Guinea ist 2014 das Jahr mit dem höchsten Risiko eines Staatsstreiches auf der Welt. Dies ist das Ergebnis des jährlichen „Coup Forecasts“ des amerikanischen Politikwissenschaftlers und Experten für Konfliktvorhersagen Jay Ulfelder. Ulfelder errechnet seine Prognose durch die Auswertung einer Vielzahl quantitativer Indikatoren, welche mit erhöhten Putschrisiken in Verbindung gebracht werden. Ulfelder betont, dass seine Prognose nicht bedeutet, dass in den Ländern mit hohem Risiko auf jeden Fall ein Putsch geschieht – nur die relative Wahrscheinlichkeit ist erhöht. Anders gesagt: falls es 2014 Staatsstreiche geben sollte, passieren sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in einem der in seiner Prognose hoch gerankten Ländern.

Viele Daten, die er in seine Berechnung mit einbezieht, stammen von 2012, da keine neueren Daten vorliegen. Trotzdem lohnt es sich, das Ergebnis von Uhlfelder’s Vorhersage zum Anlass zu nehmen und sich die Situation in Guinea noch einmal genauer anzusehen. Ulfelder selbst betrachtet nur quantitative Daten in seiner Vorhersage; als Begründung für die hohe Putsch-Wahrscheinlichkeit in Guinea sagt er lediglich

It’s a relatively poor country in a coup-prone region with a mixed political regime in which elites’ ethnicity is politically salient; it has a recent history of coup activity; and right now it’s experiencing slow economic growth.

Um Ulfelder’s doch sehr quantitative und Statistik-lastige Vorhersage mit ein wenig mehr Kontext zu untermauern, habe ich im Folgenden einige Punkte, die aus meiner Sicht zu einem Putsch in Guinea beitragen könnten, aufgelistet und analysiert.

Unzufriedenheit in der Armee

Ein Risikofaktor für einen Putsch gegen Guinea’s Regierung ist mit Sicherheit die Unzufriedenheit in der Armee. Präsident Alpha Condé hat nach seinem Amtsantritt 2010 die Reform der Armee zu einer Priorität gemacht. Die als korrupt und undiszipliniert geltende Armee wurde von 20 000  auf 16 000 Soldaten reduziert, neu strukturiert, ein Beförderungsstopp wurde eingeführt, Privilegien wurden gekürzt. Insgesamt hat Condé es geschafft, die Kosten für die Armee um drei viertel zu senken.

Dies hat innerhalb der Armee ohne Zweifel Unmut hervorgerufen. Der Anschlagsversuch auf Condé im Juli 2011 wurde von vielen Beobachtern als deutliches Zeichen für die starke Unzufriedenheit der Soldaten über die Reformen gesehen, und so bleibt die Armee auch weiterhin ein Risikofaktor.

Unmut der Bergbaukonzerne

Nicht nur die Reformierung der Armee, sondern auch die des Bergbausektors war eine Priorität von Präsident Alpha Condé. Dabei hat sich die guineische Regierung mit mächtigen Bergbaukonzernen und Unternehmern angelegt, nicht zuletzt der Benny Steinmetz Group des israelischen Milliardärs Benny Steinmetz. Vergangenes Jahr meldete die französische Satirezeitung Le Canard Echainé unter Berufung auf Quellen in internationalen Sicherheitskreisen, der Diamant-Magnat würde internationale Söldner dabei unterstützen, Guinea’s Regierung zu stürzen.

Die Meldungen wurden nie bewiesen und Benny Steinmetz selbst wies alle Vorwürfe von sich. Die Gefahr, dass unzufriedene internationale Konzerne Söldner oder Gruppen innerhalb des Landes bei einem Putsch gegen die Regierung Condé unterstützen könnten, ist schwer einzuschätzen und wohl noch viel weniger zu beweisen und ich bin Verschwörungstheorien gegenüber generell recht skeptisch eingestellt. Trotzdem sollte diese Möglichkeit im Hinterkopf behalten werden.

Starker Anstieg des Kokain-Schmuggels

Als ein weiterer Faktor, der einen Putsch in Guinea begünstigten könnte, ist der zunehmende Kokainschmuggel durch das Land. Schon lange nutzen Banden aus Lateinamerika die westafrikanischen Länder als Transitstrecke für den Transport der Drogen nach Europa. Bisher war vor allem Guinea-Bissau als Westafrikas „Narco-Staat“ bekannt, aber auch in Guinea-Conakry wird der Drogenhandel seit Jahren immer mehr ein Problem und hat seit dem Amtsantritt Condés 2010 einen neuen Höhepunkt erreicht. Laut verschiedener nationaler und internationaler Anti-Drogen-Behörden sind hohe Beamte, Militärs und Polizei in den Schmuggel sowie in Geldwäschetätigkeiten verwickelt.

Alpha Condé war vor seiner Wahl jahrelang im Exil und kennt daher die Netzwerke nicht, weiß nicht wem er trauen kann. Bisher war seine Regierung entweder nicht Willens oder nicht in der Lage, gegen den zunehmenden  Drogenschmuggel vorzugehen, die Behörden und Sicherheitsdienste sind schlecht für den Kampf gegen die Drogenmafia ausgestattet. Über kurz oder lang wird Condé die schädliche Wirkung des Drogenhandels auf die öffentliche Ordnung im Land aber nicht ignorieren können. Ein entschiedenes Vorgehen gegen den Drogenhandel seitens der Regierung erhöht jedoch erneut die Gefahr, dass die vom Drogenhandel profitierenden Kreise versuchen werden, sich der Regierung durch einen Putsch zu entledigen. Weitere Zurückhaltung im Kampf gegen die Drogenbarone, von denen einige sicherlich auch in den eigenen Reihen von Condés Regierung zu finden sind, würde kurzfristig zwar mehr Stabilität bewirken, langfristig aber der Stabilität des Staates schweren Schaden zufügen. Dafür ist das Nachbarland Guinea-Bissau das beste Beispiel.

Geringes Wirtschaftliches Wachstum

Die erste demokratisch gewählte Regierung Guineas seit der Unabhängigkeit hat es bisher nicht geschafft, die Mehrheit der Bevölkerung an den Vorteilen eines demokratischen Wandels teilhaben zu lassen. Das Wirtschaftswachstum 2013 war mit 2,5% enttäuschend gering. Dies lässt das Vertrauen in die Demokratie schwinden, ebenso wie das Vertrauen in die Regierung Condé. Es besteht die Gefahr, dass die Stimmung im Land kippt und die Unzufriedenheit der Bevölkerung in eine offene Forderung eines Regierungswechsel umschwingt.

Viele Risiken, viele Unbekannte

Diese Punkte zeigen, dass Ulfelder mit seiner statistischen Einschätzung auch aus qualitativer Sicht nicht falsch liegt. Ob es tatsächlich zu einem Putsch kommt, lässt sich kaum seriös vorhersagen. Wie das Beispiel Mali zeigt, kann hier auch der Zufall eine entscheidende Rolle spielen.

Insgesamt sind Putsche auch in Westafrika seltener geworden, wozu auch die strikt ablehnende Haltung der Regionalorganisation ECOWAS beigetragen hat. Die Junta in Mali konnte sich jedenfalls nicht sehr lange halten, ihr Anführer Sanogo steht inzwischen vor Gericht. Potenzielle Putschisten in Guinea werden sich also genau überlegen, ob sie auch in diesem regionalen Machtgefüge Aussicht auf Erfolg haben, oder ob nicht ein formal legaler Weg zur Durchsetzung ihrer Interessen geeigneter ist.

Vor diesem Hintergrund werden insbesondere die Präsidentschaftswahlen 2015 interessant. Die Condé gegenüber kritisch eingestellten Teile der Bevölkerung, Armee und Wirtschaft werden sicherlich versuchen, diese Gelegenheit zu ihrem Vorteil zu nutzen, um einen Regierungswechsel herbeizuführen. Im gleichen Jahr wird auch in Burkina Faso, Côte d’Ivoire und Nigeria gewählt, die alle zu den treibenden anti-Putsch Kräften in der Region gehören. In allen Ländern wird die Wahl von erheblichen Spannungen begleitet, die leicht eskalieren können. Sollten sich diese diplomatischen Schwergewichte im nächsten Jahr vor allem auf ihre Innenpolitik konzentrieren, könnte das in Guinea durchaus zu einer erhöhten Putschgefahr führen.