
Westafrikas Superwahljahr 2015
Dieses Jahr finden in Westafrika eine ganze Reihe wichtiger Wahlen statt, die entscheidend für die Länder selbst, aber auch die Region als Ganzes sein könnten. Im Folgenden eine kurze Auflistung der Wahlen und ihr Hintergrund.
Côte d’Ivoire
Nach den Präsidentschaftswahlen 2010, die zu einem Wiederaufflammen des Bürgerkriegs führten, wird 2015 erneut ein Präsident gewählt. Die Vorzeichen sind dieses Mal andere als 2010. Laurent Gbagbo, der sich nach den letzten Wahlen weigerte, sein Präsidentenamt aufzugeben und damit das Land in die Krise stürzte, sitzt heute in Den Haag vor dem Internationalen Strafgerichtshof und wartet dort auf seinen Prozess. Seine Partei FPI ist gespalten und derzeit noch zu sehr mit internen Machtkämpfen beschäftigt, um einen ernstzunehmenden Gegner für den Amtsinhaber Alassanne Ouattara darzustellen. Es droht jedoch Widerstand von anderer Seite: Laut Erkenntnissen der UN Group of Experts zu Côte d’Ivoire gibt es Berichte darüber, dass sich im Westen des Landes sowie auf der anderen Seite der Grenze, in Liberia, pro-Gbagbo-Milizen formieren, um eine Wiederwahl von Ouattara mit Gewalt zu verhindern.
Burkina Faso
Nachdem Langzeit-Präsident Blaise Compaoré Ende 2014 von großen öffentlichen Protesten aus dem Amt gejagt wurde, will die Übergangsregierung in Ouagadougou im November 2015 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen organisieren und die Macht zurück an gewählte Volksvertreter übergeben. Diese Wahl ist in einem Land, das 27 Jahre lang von demselben Präsidenten und seinen Getreuen regiert wurde, eine echte Chance auf Veränderung. Der Übergangspräsident Michel Kafando sowie der Übergangs-Premierminister, Oberstleutenand Yacouba Isaac Zida dürfen nicht bei der Wahl antreten.
Ob die ehemalige Regierungspartei CDP antreten wird und wenn ja, mit welchem Spitzenkandidaten, ist noch vollkommen offen. Gute Chancen werden Zéphirin Diabré und seiner Partei Union pour le progrès et le changement (UPC) eingeräumt. Er galt schon während der letzten Parlamentswahlen 2012 als beste Alternative zu Compaoré und seine Partei erzielte das beste Ergebnis unter den Oppositionsparteien. Die 2014 von ehemaligen Parteigenossen Blaise Comaporés gegründete Partei Mouvement du peuple pour le progrès (MPP), mit den prominenten Mitgliedern Marie Christian Kaboré, Salif Diallo und Simon Comaporé, wird mit Sicherheit auch eine wichtige Rolle bei den Wahlen spielen. Dazu kommen noch kleinere Oppositionsparteien wie die Sankaristische Partei. Einen klaren Favoriten gibt es jedoch nicht, es bleiben alle Möglichkeiten offen.
Guinea
In Guinea soll 2015 eigentlich gleich zweimal gewählt werden, es sollen Lokal- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. Das Land kämpft jedoch derzeit auch mit dem größten Ebola-Ausbruch der Geschichte und die Regierung gibt Anzeichen, dass die Wahlen aufgrund der Ebola-Krise verschoben werden sollen. Dies ist jedoch nicht ganz ungefährlich: Regierung und Opposition sind stark zerstritten, Versuche eines Dialogs sind in den vergangen Jahren regelmäßig gescheitert. Doch jeder Versuch von Regierungsseite, die Wahlen ohne vorherigen Dialog und der Zustimmung der Opposition zu verschieben, wird von der Opposition als Machtmissbrauch und Verstoß gegen die Verfassung gewertet werden und würde mit großer Wahrscheinlichkeit zu ernsten ethnischen Spannungen und gewalttätigen Protesten führen. Insbesondere die Präsidentschaftswahlen, die erst die zweiten freien und fairen Wahlen eines Präsidenten seit der Unabhängigkeit wären, bergen daher enormes Konfliktpotential.
Nigeria
Auch die Regionalmacht Nigeria wählt einen neuen Präsidenten. Amtsinhaber Goodluck Jonathan, der das Amt 2010 nach dem Tod seines Vorgänger Umaru Yar’Adua übernahm und 2011 für eine erste volle Amtszeit wiedergewählt wurde, will nochmals für das Amt antreten. Dies ist jedoch äußerst umstritten. Eine ungeschriebene Abmachung in Nigeria besagt, dass die Präsidentschaft alle zwei Amtszeiten zwischen einem Kandidaten der Regierungspartei PDP aus dem Norden und einem aus dem Süden wechselt. Viele argumentieren, dies sei bereits die zweit Amtszeit des aus dem Süden stammenden Jonathan. Dieser selber hält jedoch daran fest, dass er noch keine zwei vollen Amtszeiten gedient hätte. Diese Kontroverse spaltet die Regierungspartei. Die Opposition hingegen ist, insbesondere aufgrund des Zusammenschlusses dreier Parteien im letzten Jahr zum All Progressives Congress (APC), im Aufwind. Im Dezember wählten sie Muhammadu Buhari zu ihrem Spitzenkandidaten.
Die hoch polarisierenden Wahlen finden zudem in einer sicherheitspolitisch sehr kritischen Zeit statt, in der das Land immer häufiger mit schweren Anschlägen von Boko Haram zu kämpfen hat. Gerade im Nordosten des Landes kontrolliert die islamistische Gruppe inzwischen ganze Landstriche, an eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl kann hier unter den gegebenen Umständen kaum gedacht werden. Aufgrund der Mischung aus politischer Polarisierung und Kampf gegen islamistische Terroristen wird Nigeria sein Militär 2015 wohl eher Zuhause im Land behalten wollen und sich nicht mehr so stark an regionalen Einsätzen beteiligen wie bisher – ein Problem, da Nigeria bisher die meisten Truppen bei regionalen Einsätzen stellte.
Togo
In Togo finden Anfang des Jahres 2015 ebenfalls Präsidentschaftswahlen statt. Präsident Faure Gnassingbé, der die Macht 2005 nach dem Tod seines Vaters Eyadéma Gnassinbé übernahm, wird ein weiteres Mal antreten und die Wahl mit hoher Wahrscheinlichkeit für sich entscheiden. Der Opposition war es, trotz massiver Proteste in den vergangenen Jahren, nicht gelungen, die Amtszeiten des Präsidenten zu limitieren oder die einfache Mehrheitswahl abzuschaffen. Die Regierungspartei UNIR hat im Parlament eine absolute Mehrheit, sie wird also nichts entscheiden, was die Chancen ihres Kandidaten Gnassinbé schmälern würde. Die Proteste der Opposition und der Zivilgesellschaft gegen die Regierung und die Gnassingé-Dynastie werden sich jedoch fortsetzen, insbesondere angestachelt durch die erfolgreichen Proteste in Burkina Faso.