Der Präsident Guineas, Alpha Condé, mit der brasilianischen Präsidentin Dilma Russeff. Foto von dilmarousseff via Flickr, CC-BY-SA.

Portrait: Alpha Condé, Präsident von Guinea

Ich bin ein großer Fan der Methodik der Strategischen Konfliktanalyse (z.B. nach dem DFID-Leitfaden), weil diese Analysen es ermöglichen, Konflikte und politische Prozesse in einer Tiefe zu verstehen, die das reine “einlesen” in ein Thema niemals zulassen würde. Ein wichtiger Schritt in solch einer Analyse ist es, sich die handelnden Akteure einmal genauer anzusehen. Ihre Biographien, Netzwerke und persönlichen Überzeugungen geben aufschlussreiche Hinweise auf die Beweggründe und Logiken ihres Handelns und lassen ihre Reaktionen und nächsten Schritte oft gut voraussagen.

Anlässlich der sich zuspitzenden politischen Lage in Guinea vor den anstehenden Parlamentswahlen (den Hintergrund dazu findet ihr in meinem Artikel auf AfrikaEcho), will ich auf diesem Blog einige Akteure in Guinea einmal genauer betrachten. Es ist klar, dass ich hier nicht alle Akteure vollständig erfassen kann, ich werde nur einige wichtige Persönlichkeiten auswählen, anhand derer man die Gemengelage in Guinea vielleicht etwas besser verstehen kann. Als Auftakt heute, als Vertreter der Regierung, Präsident Alpha Condé. Im Laufe der Woche folgt hoffentlich noch ein Portrait des wichtigsten Oppositionsführers, Cellou Dalein Diallo, sowie in den kommenden Wochen Vertreter der Armee, religiöser Gruppen und der Zivilgesellschaft.

Biographie von Alpha Condé

Präsident Alpha Condé wurde 1938 in Boké (Region Guinée Maritime) als ethnischer Malinké geboren. Im Alter von 15 Jahren migrierte er nach Frankreich, wo er fast 40 Jahre seines Lebens verbrachte. Nach seiner Schul- und Universitätsausbildung pomovierte er im öffentlichen Recht und war als Professor an der Univerität Paris tätig. Trotz der räumlichen Distanz zu seinem Heimatland engagierte sich Condé früh politisch, unter anderem als Führer der “Vereinigung der Studenten aus Schwarzafrika in Frankreich”. Anfangs unterhält Condé gute Beziehungen zu Ahmed Sékou Touré, der Guinea als erster Präsident in die Unabhängigkeit führte. Als dieser immer mehr diktatorische Tendenzen zeigt, kommt es zum Bruch zwischen den beiden: 1970 verurteilt Sékou Touré Condé in Abwesenheit zum Tode.

Alpha Condé bleibt jedoch weiterhin politisch aktiv. Aktiver Verfechter der Demokratie und sozialdemokratisch in seiner Ausrichtung, gründet er 1977 die Partei Mouvement national démocratique (MND), den Vorläufer seiner heutigen Partei Rassemblement du peuple de Guinée (RPG). 1991 kehrt Condé nach über 30 Jahren Abwesenheit zurück nach Conakry, um vor Ort in die Opposition gegen den nach dem Tod von Sékou Touré durch einen Putsch an die Macht gekommenen Lansana Conté einzutreten. Der Aufenthalt ist jedoch von kurzer Dauer: von der Regierung bedroht, flieht er in die senegalesische Botschaft und wird mit der Maschine des senegalesischen Präsidenten Abou Diouf ausgeflogen.

1993 kehrt Condé wieder zurück nach Guinea. Die Regierung von Präsident Lansana Conté führt aufgrund internationalen Drucks Präsidentschaftswahlen durch, und Condé lässt sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen. In den von massiven Unregelmäßigkeiten bestimmten Wahlen wird Lansana Conté wiedergewählt. Condé ruft seine Anhänger auf, des sozialen Friedens willens das Ergebnis nicht anzufechten. In den darauf folgenden Wahlen 1998 lässt sich Condé erneut als Präsidentschaftskandidat aufstellen, doch er wird kurz vor den Wahlen festgenommen und ins Gefängnis geworfen. Der Vorwurf: Er habe einen Putsch geplant. Sechzehn Monate bleibt er in Untersuchungshaft, bis im Jahr 2000 endlich das Urteil gesprochen wird: fünf Jahre Haft. Amnesty International sowie internationale Unterstützer von Condé wie z.B. Chaques Chirac, Madelaine Albright und Kofi Annan protestieren öffentlich. 2001 wird Condé begnadigt und aus der Haft entlassen.

Bis zum Tod von Lansana Conté 2008 verweigert Condé strikt jedes Gesprächsangebot des letzteren. Condé engagiert sich aus der Ferne, von Paris aus. Nach Conté’s Tod tritt Condé wieder aktiv in die guineische Politik ein und fordert freie und transparente Wahlen. Bei den unter einer Übergangsregierung organisierten  Präsidentschaftswahlen 2010 erreicht Conté endlich sein lang angestrebtes Ziel: in einem äußerst knappen zweiten Wahlgang gewinnt der historische Oppositionelle Condé mit 52,52% der Stimmen gegen seinen schärfsten Herausforderer, Cellou Dalein Diallo, der für ihn die Verkörperung der vergangenen Regime darstellt.

Aktuelle Allianzen und politische Prioritäten

Alpha Condé heute: gute zwei Jahre ist er nun an der Macht. Er war mutig genug, die dringend notwenige Armeereform anzugehen (was u.a. die Entlassung von 4000 Soldaten zur Folge hatte), was Condé bei den Sicherheitskräften aber nicht viele Freunde eingebracht hat. Freunde würde er jedoch dringend brauchen, denn seine alten Allianzen scheinen nach und nach auseinanderzufallen: Seine “Regenbogen-Allianz”, die ihn bei der Wahl 2010 unterstütz hatte, ist zerbröckelt. Im vergangenen Oktober brach Condé mit seinem Landwirtschaftsminister und bisher engen Vertrauten, Jean-Marc Telliano, der sich daraufhin der Opposition anschloss. Mehrere andere enge Verbündete wandten sich ebenfalls von Condé ab. Nur seine eigene Partei scheint ihm bisher noch die Stange zu halten. Von der Masse der Bevölkerung wird “der Professor”, so wird Condé im Volksmund scherzhaft genannt, als eher abgehoben, volksfern und als schlechter Kommunikator wahrgenommen

Während der Kreis seiner Vebündeten in Guinea immer kleiner zu werden scheint, kann Condé jedoch noch mit einem hochrangigen internatinalen Netzwerk aufwarten: sein Schulfreund Bernard Kouchner, ehemaliger Ausseminister Frankreichs, half gerade dabei einen Deal mit seinem Freund Vincent Bolloré zu vermitteln, der von nun an den Hafen von Canakry betreiben wird. Weitere prominente Unterstützer sind George Soros und Tony Blair, die Condé in Sachen Minenbusiness unter die Arme greifen.

Was sagt das über die aktuelle politische Lage in Guinea aus?

Das oben beschriebene Portrait von Condé kann dabei helfen, die aktuelle Situation in Guinea besser einzuordenen. Eine Frage, die sich viele Baobachter derzeit stellen, ist beispielsweise, wer für den abgebrochenen Dialog zwischen Regierung und Opposition mehr verantwortlich ist: die Regierung oder die Opposition selbst? Condé hat zeitlebends für Demokratie und gute Regierungsführung gekämpft. Dies heißt jedoch nicht, dass er vor diktatorischen Tendenzen gefeit wäre: andere historische Oppositionelle wie Laurent Gbagbo (Côte d’Ivoire) und Abdoulaye Wade (Sénégal) scheinen nach und nach ebenfalls von der Macht korrumpiert worden zu sein, sobald sie selbst an der Macht waren. Aber schon zwei Jahre nach Amtsaufnahme?

Condé ist ambitioniert, er hat lange auf seine Chance gewartet. Die Armeereform zeigt, dass er es ernst meint mit der Veränderung; auch im Minensektor bewegt sich etwas. Nur im Umgang mit der Opposition gibt es keine Fortschritte. Vielleicht hat er Angst, die Opposition würde ihn in seinem Reformprogramm zurückhalten; vielleicht will er sich die Zügel nicht wieder aus der Hand nehmen lassen. Oder aber macht die Opposition es ihm besonders schwer, zu einer Einigung zu kommen und will Condé durch den ständigen Abbruch des Dialogs nur schlecht dastehen lassen? Um eine bessere Einschätzung vornehmen zu können, fehlt noch ein wichtiger Teil des Puzzles: die Opposition. Ende der Woche werde ich hier auf dem Blog ein Portrait von Condés wichtigsten Widersacher, Cellou Dalein Diallo, erstellen. Dann soll diese Frage erneut aufgenommen werden.