
Côte d’Ivoire: Verfassungsreform im vollem Gange
Vergangene Woche stellte Präsident Alassanne Ouattara den mit Spannung erwarteten Vorentwurf der Verfassungsreform dem Parlament vor. Viele der angekündigten Änderungen waren bereits erwartet worden, unumstritten sind sie jedoch nicht. Stimmt das Parlament dem Entwurf am kommenden Dienstag zu, soll am 30. Oktober landesweit in einem Referendum über die neue Verfassung abgestimmt werden.
Die Verfassungsreform wird von Beobachtern als Versuch Ouattaras gewertet, sein politisches Vermächtnis zu sichern und seine Verbündeten in Schlüsselpositionen unterzubringen, bevor er 2020 wie versprochen abtritt.
Artikel 35 wird zum Artikel 55
Das letzte Mal wurde die Verfassung 2000 geändert. Damals wurde der umstrittene Artikel 35 eingeführt, der verlangt, dass Mutter UND Vater Ivoirer sein müssen, um als vollwertiger Staatsbürger zu gelten und als Präsident kandidieren zu dürfen. Er schloss damit auch Ouattara und andere wichtige Politiker von der Präsidentschaftswahl aus und trug so zum Bürgerkrieg bei.
Im neuen Entwurf wird der Artikel 35 durch einen Artikel 55 ersetzt, der besagt, dass nur einer der beiden Elternteile Ivoirer sein muss. Damit wird nicht nur die 2003 im Linas-Marcoussis-Vertrag getroffene Vereinbarung umgesetzt, die Änderung des Artikels 35 trägt auch der multikulturellen Gesellschaft der Côte d’Ivoire Rechnung. Rund 30% der Einwohner der Côte d’Ivoires, die unter dem Artikel 35 bisher als nicht-Ivorer klassifiziert waren, könnten damit nun ihre politischen Rechte wahrnehmen.
Im neuen Entwurf wird außerdem das Höchstalter des Präsidenten (bisher bei 75 Jahren) gestrichen. Wie es der Zufall will, würde damit auch Ouattara (zur Zeit 74 Jahre alt) eine erneute Kandidatur offenstehen. Zwar hat er angekündigt, 2020 nicht mehr kandidieren zu wollen, aber er wäre nicht der erste afrikanische Präsident der in dieser Hinsicht wortbrüchig wird.
Einsetzen eines Vizepräsidenten
Umstrittener als die Änderung des Artikels 35 ist die vorgesehene Schaffung des Postens des Vizepräsidenten, der vom Volk zusammen mit dem Präsidenten direkt gewählt wird und auch die selben Voraussetzungen erfüllen muss. Sollte das Präsidentenamt vakant sein, übernähme der Vizepräsident die Rolle des Staatschefs. Der erste Vizepräsident würde ausnahmsweise vom Präsidenten ernannt werden, ab der nächsten Präsidentschaftswahl 2020 dann gewählt werden.
In seiner Rede vor dem Parlament begründete Ouattara die Einsetzung eines Vizepräsidenten damit, dass dadurch die Kontinuität, die Stabilität und ein friedlicher Machtwechsel garantiert wären, würde dem Präsidenten etwas zustoßen. Einige Beobachter sehen in dieser Regelung jedoch einen Versuch Ouattaras, einen Nachfolger in Stellung zu bringen und vor allem den ehemaligen Rebellenführer Guillaume Soro, der für Ouattara politisch unbequem ist, zu marginalisieren. Dieser würde als Sprecher der Nationalversammlung nach der bisherigen Verfassung die Staatsführung übernehmen, wenn das Präsidentenamt vakant ist und durch die neue Regelung in der Hierarchie nach unten rutschen.
Einsetzen eines Senats
Des Weiteren sieht die neue Verfassung vor, dass ein neuer Senat geschaffen wird, der zusammen mit der Nationalversammlung das Parlament bildet. Der Senat soll, laut Ouattara, insbesondere die dezentralisierten Gebietseinheiten und die Ivoirer im Ausland repräsentieren. Zwei Drittel der Senatsmitglieder sollen gewählt werden; ein Drittel der Mitglieder wird vom Präsidenten ernannt. Für die Senatsmitglieder, deren Amstzeit fünf Jahre beträgt, soll ebenso wie für die Mitglieder der Nationalversammlung, Immunität gelten. Dies ist besonders interessant, bedenkt man, dass viele Verbündete Ouattaras nach den Unruhen 2010/11 noch nicht für ihre Rolle bei den begangenen Menschenrechtsverbrechen zur Verantwortung gezogen worden sind – werden sie von Ouattara zu Senatoren ernannt, bliebe das auch bis zum Ende ihrer Amtszeit so, egal wer dann an der Regierung ist.
Neben diesen drei Wichtigsten Änderungen sieht der Vorentwurf noch die verfassungsrechtliche Anerkennung der Kammer der Könige und traditionellen Autoritäten vor und erweitert die Kompetenzen des Wirtschafts- und Sozialrates (Conseil économique et social).
Proteste der Opposition
Die Opposition, darunter auch die FPI unter Führung von Pascal Affi N’Guessan und Mamadou Koulibalys Partei LIDER , sind strikt gegen die Verfassungsreform. Sie sehen darin das Abdriften des Staates in eine „monarchie-ähnliche Machtstruktur“. Da die Oppositionsparteien durch ihren Boykott der Parlamentswahlen jedoch nicht in der Nationalversammlung vertreten sind, bleibt ihnen lediglich der außerparlamentarische Widerstand. Sie kündigte weitreichende Proteste an, in der Hoffnung, die Bevölkerung zu einem nein im Referendum zu überzeugen.