
Guillaume Soro’s neue Allianzen
Im April legte die UN Group of Experts on Côte d’Ivoire ihren neuen Bericht (PDF) vor. Neben den ausführlichen Belegen dafür, dass Mitglieder der ex-Rebellenorganisation Forces Nouvelles, insbesondere die ehemaligen Com-Zones (Zonen-Kommandeure), ihre neuen hochrangigen Posten in der Armee für kriminelle Netzwerke nutzen, ist insbesondere noch eine Entwicklung bemerkenswert. Laut der GoE versucht Guillaume Soro, Sprecher der Nationalversammlung und politischer Anführer der ex-Rebellenorganisation Forces Nouvelles, eine neue Allianz zu schmieden. Die GoE will glaubwürdige Informationen darüber haben, dass Soro und sein enger Berater und Protokollchef, Kamagaté Souleymane, Kontakt zur militärischen Führung einer radikalen pro-Gbagbo Gruppe in Ghana aufgenommen hat. Um zu verstehen, welche Bedeutung diese neue Allianz haben kann, hilft es sich die Rolle Soro’s im politischen System Côte d’Ivoire’s anzusehen.
Soro repräsentiert die militärische Macht im Staat
Obwohl schon seit Studienzeiten als Präsident der Studentenvereinigung FESCI politisch aktiv, trat Soro insbesondere als politische Führungsfigur der Rebellengruppe Forces Nouvelles ins Rampenlicht. Die Forces Nouvelles, eine Rebellengruppe aus dem Norden des Landes, versuchte das aus dem christlichen Süden kommende Regime von Laurent Gbagbo zu stürzen, um die Marginalisierung der muslimischen Bevölkerungsgruppen im Norden zu beenden. Soro und die Forces Nouvelles standen dabei ideologisch auf Seiten Alassane Ouattaras und seiner Partei RDR, die die nördliche Bevölkerung politisch repräsentierten. Der durch den Vormarsch der Forces Nouvelles entfachte Bürgerkrieg wurde 2007 mit dem Abkommen von Ouagadougou quasi eingefroren. Das Abkommen sah vor, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, mit Laurent Gbagbo als Präsident und Guillaume Soro als Premierminister. Alassane Ouattara blieb in diesem Abkommen aussen vor. Gbagbo, Soro und ihre Anhänger richteten sich auf ihren Posten bequem ein. Die vom Abkommen von Ouagadougou geforderten Präsidentschaftswahlen wurden immer wieder verschoben, bis der internationale Druck zu groß wurde.
Schließlich wurden die Wahlen Ende 2010 abgehalten. Als Hauptkontrahenten traten Laurent Gbabgo und Allassane Ouattara gegeneinander an. Soro selbst durfte, trotz seiner ihm zugeschriebenen politischen Ambitionen, an den Präsidentschaftswahlen nicht teilnehmen, da er mit seinen damals 38 Jahren laut der Verfassung zu jung war. Interessant ist nun Soro’s Haltung während der Wahlen: wie in meiner Masterarbeit beschrieben, stellte er sich als „neutraler Schiedsrichter“ dar, und unterstützte weder die eine, noch die andere Seite offen. Diese Haltung ist damit zu erklären, dass er sich alle Optionen offen halten und unabhängig vom Wahlausgang seine politische Karriere nicht gefährden wollte. Als Laurent Gbagbo sich schließlich weigerte seine Wahlniederlage einzugestehen und als Präsident abzutreten, schlugen sich Soro und die ihm immer noch treu ergebenen Mitglieder der ehemaligen Forces Nouvelles auf die Seite Ouattaras und halfen diesem, Gbagbo zu entmachten und die Präsidentschaft für sich zu beanspruchen. Die Entscheidung Soros, Ouattara zu unterstützen, ist leicht nachzuvollziehen: international als Wahlsieger anerkannt und unterstützt von Frankreich und der UN, war Ouattara der wahrscheinlichere Weg zu erneuter politischer Macht. Gleichzeitig hätte Ouattara ohne das Eingreifen der Forces Nouvelles es wahrscheinlich nicht (so schnell) geschafft, an die Macht zu kommen. Die Unterstützung durch seine Forces Nouvelles gab Soro erhebliches politisches Kapital und Macht gegenüber Ouattara.
Gegenseitige Abhängigkeit
Ouattara und Soro sind seitdem stark voneinander abhängig. Ouattara ernannte Soro erst zu seinem Premierminister, seit einer Regierungsumbildung ist er nun Sprecher der Nationalversammlung (so heisst in der Côte d’Ivoire das Parlament). Ouattara kann auf Soro nicht verzichten, denn ohne Soro hat er nicht den Rückhalt der Forces Nouvelles, ohne deren Unterstützung seine Regierung wiederum äußerst verwundbar wäre. Soro im Gegenzug muss darauf acht geben, für Ouattara weiter wichtig zu bleiben. Nicht nur, weil die Allianz mit Ouattara ihm weiterhin eine glänzende politische Karriere verspricht. Wichtiger ist eher die Tatsache, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) immer noch die Vorfälle während des Gewaltausbruchs nach den Wahlen sowie während des Bürgerkriegs untersucht. Als politischer Führer der Forces Nouvelles steht Soro im Fokus der Ermittler, inbesondere im Zusammenhang mit dem Massaker in Duékoué. Sollte Soro für Ouattara unwichtig werden, könnte der sich versucht fühlen, Soro an den IStGH auszuliefern.
Und nun soll Soro also Kontakt mit pro-Gbagbo Milizen in Ghana aufgenommen haben. Aus welchem Grund und mit welcher Absicht? Meine persönliche Vermutung ist, dass Soro sich der Abhängigkeit von Ouattara entziehen will. Ouattara’s Macht konsolidiert sich immer mehr, und auch wenn die Sicherheitslage bis jetzt immer noch kritisch ist, ist der Trend eher positiv. Bald wird Ouattara die Unterstützung der Forces Nouvelles vielleicht nicht mehr unbedingt benötigen. Zugleich nimmt der internationale Druck auf Ouattara, die Menschenrechtsverbrechen der Vergangenheit aufzuarbeiten und insbesondere auch die Täter aus den eigenen Reihen zur Rechenschaft zu ziehen, immer mehr zu. Dies erhöht den Druck auf Soro, sich anderweitig abzusichern. Sollte es Soro gelingen, neben den Forces Nouvelles auch noch die Gbagbo-treuen Kräfte hinter sich zu vereinen, würde er einen gefährlichen Gegner für Ouattara darstellen.
Diese Entwicklung ist besorgniserregend und wird in Zukunft noch für einige Spannungen sorgen. Denn entweder lässt Ouattara Soro unbehelligt, dann setzt er damit eine gerechte Aufarbeitung der Vergangenheit und die nationale Versöhnung ebenso aufs Spiel wie seine internationale Reputation. Sollte er allerdings versuchen, gegen Soro vorzugehen, steht er einem militärisch und politisch hervorragend aufgestellten Kontrahenten gegenüber, der für seine politischen Ambitionen bestimmt auch einen Putsch nicht ausschließt.