Blaise_Compaoré_2010_monochrome; WikiCommons

Crisis Group: Mit oder ohne Compaoré stehen Burkina Faso unsichere Zeiten bevor

Zum ersten mal in ihrer Geschichte hat die von mir sehr geschätzte International Crisis Group einen Bericht (derzeit nur auf Französisch verfügbar) zu Burkina Faso veröffentlicht. In der ihr üblichen, detailreichen Weise analysiert die Crisis Group darin die aktuellen Kräfteverhältnisse in Politik, Armee und Gesellschaft des Landes und erarbeitet Szenarien, wie die politische Zukunft des Landes aussehen könnte. Für Burkina Faso sind natürlich insbesondere die  Szenarien im Hinblick auf Präsidentschaftswahlen 2015 interessant. Die Crisis Group fasst drei Szenarien zusammen, die auch während meines Aufenthalts in Burkina Faso schon in der Öffentlichkeit diskutiert wurden.

Möglichkeit 1: Blaise Compaoré tritt nochmals bei den Präsidentschaftswahlen an. Dafür müsste er aber den brühmten Artikel 37 der Verfassung ändern, der die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Mandate beschränkt. Eine Verfassungsänderung durch die Nationalversammlung zu boxen würde allerdings mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Volkszorn erregen, es würden Ausschreitungen wie 2011 drohen. Umgehen könnte Compaoré dies mit einem Referendum. Gewinnt er eine Volksabstimmung über die Verfassungsänderung durch eine gute Mobilisierung seiner Anhänger, wird kaum jemand in Burkina Widerspruch einlegen.

Zweites Szenario: Compaoré tritt nicht mehr bei den Wahlen an. Er kündigt dies frühzeitig an oder lässt seine Entscheidung bis kurz vor den Wahlen offen; beides würde unweigerlich einen Nachfolgekampf mit ungewissem Ausgang in seiner Partei CDP auslösen. Vor den Parlamentswahlen vergangenen März hat die Partei bereits enorme Veränderungen durchlaufen: auf Betreiben Compaorés wurden viele alte Parteikader abgelöst von einem jungen, unerfahrenen aber Compaoré treu ergebenen Personenkreis. Dies allein hat schon zu viel Unmut gesorgt; ohne einen von Compaoré designierten Nachfolger würde die Partei sich wahrscheinlich in Streitereien verlieren. Die Oppositionsparteien sind vermutlich durchgängig zu klein oder zu jung, um diese Situation für sich nutzen zu können. Das entstehende Machtvakuum würde die Stabilität des Landes gefährden.

Und noch eine dritte Möglichkeit drängt sich auf: Blaise Compaoré installiert seinen Bruder François Compaoré als Nachfolger, noch bevor die Wahlen abgehalten werden. Für dieses Szenario sprechen mehrere Dinge. Zum einen hat sich François in den zwei vergangenen Jahren nach und nach in die Politik eingeschaltet; bei den letzten Parlamentswahlen wurde er zum Abgeordneten für Kadiogo (die Provinz, in der Ouagadougou liegt), gewählt. Zum anderen versucht Blaise gerade mit aller Macht, einen Senat einzuführen. Der Präsident des Senats würde automatisch die Amtsgeschäft des Präsidenten übernehmen, falls dieser Abtritt. Ernennt Blaise François also zum Präsidenten des Senats, könnte er noch vor den Wahlen abreten und die Macht ginge auf seinen Bruder über. Allerdings dürfte dieser dann verfassungsgemäß nicht bei den nächsten Präsidentschaftswahlen kandidieren. Ausserdem ist die Einrichtung des Senats in der Bevölkerung sehr umstritten und hat in den letzten Wochen mehrmals zu Protesten geführt.

Welches dieser Szenarien eintreten wird, lässt sich im Moment noch schwer vorsagen. Es bleibt also spannend in Burkina Faso, alles blickt auf 2015. Von den innenpolitischen Szenarien abgesehen ist auch interessant, wie sich die eventuelle Machtabgabe von Blaise Compaoré auf die Region auswirkt. In den letzten Jahrzehnten hat sich Blaise zum Mediaor und Vermittler in fast allen westafrikanischen Krisenherden etabliert, gleichzeitig, wie im Fall Côte d’Ivoire, in den Konflikten aber auch selbst ordentlich mitgemischt. Was sein Rücktritt allerdings genau für Folgen für die Region haben wird, wagt auch die Crisis Group auch noch nicht abzuschätzen.